Sie gehen uns alle an: Sterbende Wälder im Bergischen Land
Pressekonferenz des Regionalforstamtes Bergisches Land und dem Waldbauernverband NRW auf :metabolon
Wer derzeit im südlichen Bergischen Land in die Landschaft schaut, traut seinen Augen kaum. Ganze Berghänge und Kuppen zeigen die gelbe und rote Farbe toter Fichtennadeln, beim näheren Hinsehen sieht man das helle Holz der Stämme. Aus den Laubwäldern ragen die vertrockneten Kronen der Buchen. Um wenig Wasser zu verdunsten, hat der herbstliche Laubfall der Laubbäume viel früher eingesetzt, als gewohnt.
Das Jahr 2019 ist das zweite Jahr in Folge mit einer beispiellosen Trockenheit in der Wachstumszeit der Pflanzen. Die Waldbäume mussten gebietsweise mit weniger als der Hälfte des gewohnten Niederschlages auskommen. Die unter Wassermangel leidenden und geschwächten Wälder werden ein leichtes Opfer der Borkenkäfer und anderer Pilze und Insekten. Selbst robuste Baumarten, wie die Kiefer, Lärche und Birke fallen vereinzelt der Trockenheit zum Opfer.
Der bisherige Verlauf der Käfermassenvermehrung entspricht leider dem ungünstigsten Szenario, das Forstschutzexperten vorhergesagt haben. Im Bergischen Land muss man auszugehen, dass die Hälfte der aktuellen lebenden Holzvorräte der Fichte von rd. 9 Millionen m³ der Käferplage zum Opfer fallen wird. Aktuell sind schon 1,45 Millionen m ³ Fichten geerntet oder tot im Wald stehend. Im kommenden Jahr wird sich die Schadholzmenge voraussichtlich mindestens auf dem gleichen Niveau bewegen. Wahrscheinlich werden uns die Borkenkäfer bis ins Jahr 2023 hinein Sorgen bereiten.
Derzeit kann nur ein Viertel des Schadholzes aufgearbeitet werden, denn die verfügbaren Kapazitäten an Waldarbeitern, Forstmaschinen und Holztransportern reichen bei Weitem nicht aus. Die Sägewerke können die großen anfallenden Mengen Schadholz nicht verarbeiten. Auch steht das Schadholz z.T. in unzugänglichen Lagen. Die Folge wird sein, dass viele Fichten nicht geernet, sondern die toten Bäume nur umgesägt werden oder gar viele Jahre bis zu ihrem natürlichen Zerfall stehenbleiben.
In den geschädigten Wäldern werden für lange Zeit die Umweltfunktionen beeinträchtigt, z.B. die Sauerstoffproduktion sowie der Trinkwasser-, Boden- und Klimaschutz. Waldtümpel sind ausgetrocknet, Waldquellen versiegt Auch die ökonomischen Verluste sind gewaltig. Viele Hundert betroffene Waldbesitzende erlösen wegen des Überangebotes an Holz nur noch 1/3 der früheren Holzerlöse. Große Mengen Holz können in der heimischen Wertschöpfungskette nicht verarbeitet werden, sondern müssen bis nach China exportiert werden. Schon jetzt liegen die ökonomischen Schäden im Bergischen Land bei mindestens 50 Millionen €. Hinzu kommen die Wiederaufforstungskosten für kahlgefallene Flächen. Bis zur Sicherung einer Kultur müssen für die Wiederaufforstung von Mischwald 5.000 - 10.000 €/ha investiert werden Geht man davon aus, dass sich 50 % der frei fallenden Flächen natürlich wiederbewalden werden, müssen im Forstamtsbereich mindestens 3.500 ha * wiederaufgeforstet werden. Dafür sind Investitionen von 26-27 Millionen € erforderlich. Hinzu kommen Aufwändungen für die notwendige Instandsetzung von Wegen.
In den kommenden Jahren wird die Gefahr, die von geschädigten Bäumen und toten Waldbeständen durch Fäulnis sowie Stamm- und Astabbrüche ausgeht, zunehmen. Viele kurzzeitige Straßensperrungen zur Beseitigung unmittelbarer Gefahren werden notwendig werden.
Die ausgetrockneten Böden sowie die großen Mengen dürren Holzes und Unterholzes erhöhen das Risiko von Waldbränden und erfordern besondere Vorsichts- und Vorbeugemaßnahmen. Die so noch nie dagewesene Trockenheits-Katastrophe in den bergischen Wäldern geht uns alle an und erfordert die Solidarität Aller:
Die Bürger müssen die vorübergehenden Wald- und Straßensperrungen, zeitweise verschmutzte Forstwege und Straßen, sowie Holztransporte auch durch Ortslagen hindurch hinnehmen. Die Gemeinden sind hinsichtlich der unkomplizierten Bereitstellung von Umschlagplätzen für den Holzexport und der Instandsetzung gemeindlicher Wege gefragt. Die Feuerwehren müssen sich auf eine erhöhte Waldbrandgefahr einstellen.
Forstmaschinen im Wald sind unverzichtbar. Sie sind mit großen Niederdruckreifen ausgerüstet und bewegen sich nur auf mit Reisig bedeckten Rückegassen, die alle 40 m angelegt werden. So werden Schäden am Boden minimiert. Nur mit menschlicher Arbeitskraft oder Pferden kann das Schadholz nicht aufgearbeitet werden. Pferde haben nur eine begrenzte Ausdauer und Zugkraft. Für die Aufarbeitung nur mit Motorsäge und Pferd sind tote, morsche Wälder zudem viel zu gefährlich.
Trotz der Anstrengungen der forstlichen Zusammenschlüsse und aller Förster wird ein Großteil des Holzes nicht aufgearbeitet werden können. Für die praktischen Hilfeleistungen für betroffene Waldbesitzende gibt es lange Wartelisten. Geduld und Solidarität sind die Tugenden der Stunde. Nur gemeinsame , aber schwierig unzusetzende Forstschutzmaßnahmen können die Käferpopulation senken.
Auf vom Wald offenkundig ausgehende Gefahren für die Verkehrssicherheit müssen Waldbesitzende, die Gemeinden , der Landesbetrieb Straßen und die Bürger in den kommenden Jahren gemeinsam achten. Den Bürgern wird geraten stehende tote Fichtenwälder und geschädigte Laubwälder zu meiden sowie Absperrungen zu den Holzerntebaustellen zu respektieren. Es könnte sogar notwendig werden, bestimmte Waldareale für Waldbesucher zu sperren. Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW wird im Rahmen seiner der begrenzten Möglichkeiten Hilfe gegenüber Waldbesitzenden bei der Beseitigung nicht mehr standfester Bäume vermitteln . Nur bei unmittelbarer Gefahr im Verzug kann er von sich aus tätig werden.
Die Wiederbewaldung von Schadflächen ist eine Aufgabe der kommenden 10 Jahre. Die Katastrophe eröffnet die Chance klimastabile, vielfältige Mischwälder aufzubauen, die zum Klimaschutz beitragen und gleichzeitig die Nutzung von Holz ermöglichen. Wenn sich ein klimastabiler Baumbestand von Natur aus entwickelt, genügt eine Anreicherung oder es kann ganz auf die Wiederaufforstung verzichtet werden.
Ansonsten muss gepflanzt oder gesät werden. Geeignete Baumarten sind neben Buche und Eiche auch Mischbaumarten wie Hainbuche, Linde, Roteiche, Esskastanie und Baumhasel sowie Nadelbaumarten, wie Lärche, Douglasie , verschiedene Tannenarten und Schwarzkiefer. Die sich nahezu überall natürlich ansamenden Birken , Ebereschen und Weiden bilden willkommene Vorwälder, in deren Schutz frost- und strahlungsempfindliche Baumarten gepflanzt und gesät werden können.
Voraussetzung für die natürliche und künstliche Wiederbewaldung ist, dass Rehe und Hirsche den Baumnachwuchs nicht auffressen. Von den Jägern muss daher vor allem das Rehwild verschärft bejagt werden. Denn ohne sich verjüngenden Wald kann auch das Wild nicht existieren.
Das Land NRW mit dem Landesbetrieb Wald und Holz stellt in dieser Krise Unterstützung zur Verfügung. So beraten unsere Förster unentgeltlich Waldbesitzende und vermitteln m Rahmen der tätigen Mithilfe den Einschlag des Käferholzes und zusammen mit den Vermarktungsorganisationen des Waldbesitzes auch den Verkauf des Holzes. Der Personalpool des Forstamtes ist um 3 unterstützende Försterinnen und Förster aufgestockt worden.
Die Beseitigung der Borkenkäfer durch den Einschlag von Schadholz und die Zerkleinerung der bruttauglichen Resthölzer wird durch neue Förderrichtlinien bezuschusst. Darüber hinaus gibt es Fördermittel für die Wiederaufforstung, die gemeinsame Instandsetzung und den Neubau von Wegen, sowie für die Zwischenlagerung von Holz. Das Forstamt erteilt Auskunft und wickelt die Förderung ab. Gute Hilfen bei der Wiederbewaldung liefern die neuen Empfehlungen des Landes für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung, der Praxisleitfaden „Walderneuerung nach Schadereignissen“ und die App bzw. internetbasierte Kartenanwendung „Waldinfo NRW“. Viele wertvolle Informationen erhalten Waldbesitzende und Bürger auch beim Waldbauernverband NRW sowie dem kommunalen Waldbesitzerverband.
* 1 ha = 100 x 100 m oder 10.000 m².
100 ha ergeben einen Quadratkilometer.